copy - right  betz berthold

1999

Endlich – Vorbei – Erreicht –

Am Ende eines jeden Zeitabschnittes kommt jedem die Zeit davor kurz vor.

Wenn man aber zur Schule oder zur Arbeit gehen muss – jeden Tag – immer wieder – ist die Zeit lange und scheint nicht zu enden.

Eure Zeit an dieser Schule ist abgelaufen und in 10 Jahren werdet ihr euch vielleicht wieder treffen und viele unmöglichen Situationen von heute durchlächeln – nach dem Motto: "Weißt Du noch?!"

Sich erinnern ist wichtig – an angenehmes – und an unangenehmes.

Wir erinnern uns in diesem Jahr an vieles z. B. an Goethe.

Ganz um die Ecke – in Wetzlar – dort war er zur Ausbildung

Sollte was lernen und hatte zu dieser Zeit nur ein Mädchen im Kopf,

das auch schon vergeben war. Er kam nicht richtig zum Arbeiten vor lauter Gedanken an seine geliebte Lotte.

Das kennt ihr bestimmt auch irgendwoher.

Und wenn man bedenkt, was aus dem noch geworden ist,

dann liegen noch viele Möglichkeiten der Hoffnung vor euch.

Euer Entlassjahr und das soll euch eine kleine Gedächtnisstütze sein,

das Goethejahr.

Goethe liebte die jungen Leute: Denn die Jugend – so sagte er –

Die Jugend ist es, die die Welt belebt und diese weder moralisch

noch physisch aussterben lassen!

Goethe spricht euch doch bestimmt aus dem Herzen, wenn er sagt:

Wir alle protestieren mit Lust. Freiheit wacht in jeder Brust!

Vom Protestieren mit Lust könnt ihr bestimmt einiges erzählen

und zum Thema Freiheit hättet ihr sicher gar manches zu sagen.

Goehte sagt zur Freiheit

dass das die feinste Freiheit ist – Recht zu tun.

und ich hoffe, dass ihr hier in der Schule erfahren habt, was es bedeutet, das euch Recht und nicht Unrecht getan wurde.

Dass euch Recht getan wird und das uns allen Recht und nicht Unrecht getan wird, darum haben genau vor 50 Jahren die Mütter und Väter des Grundgesetzes

Bewusst zu Beginn die Grundrechte gesetzt, die politisch gesehen das Beste sind, was wir haben, worauf wir uns berufen können und die ihr hoffentlich alle kennt!

Ich hoffe, dass ihr hier in der Schule gelernt habt, was es bedeutet sich für die Menschenrechte, für den Frieden und für die Gerechtigkeit in nächster Nähe und in der Welt einzusetzen.

In der Schule hattet ihr sicher oft den Eindruck, dass es nicht gerecht zugeht.

Ihr wisst, dass Noten immer versuchen gerecht zu sein und in den Gesprächen mit den Lehrern wird euch hoffentlich aufgefallen sein, dass es schwerer ist, als man denkt, gerecht zu sein.

Zu Beginn aller Gesetze ist die Rede davon, dass die Würde des Menschen unantastbar ist.

Manchmal scheinen wir nicht zu wissen, was mit Würde gemeint ist.

Goethe gibt uns hier wieder einen guten Hinweis, wenn er sagt

Es ist keine Kunst, eine Göttin zur Hexe und

eine Jungfrau zur Hure zu machen.

Es ist allzu menschlich, den anderen zu degradiere, um aus sich mehr zu machen. Dabei wird manchmal so gerissen vorgegangen, dass man den

anderen glauben lässt, man sei sein Freund und ist es gar nicht..

Diese Mechanismen beherrschen die Erwachsenen und leben euch damit

viel Falsches vor. Aber, so sagt er weiter,

Würde zu geben dem Verschmähten, wünschenswert zu machen das Verworfene, dazu gehört Charakter.

Charaktervolle Menschen wollen wir alle sein. Sind es aber nicht immer.

Und jetzt schliesst sich für mich ein Kreis, wenn Goethe uns wieder darauf aufmerksam macht, dass

 

Der Hauptzug eines Charakterlosen der Mangel an Gerechtigkeit in seinem

Urteil ist.

Immer, wenn ihr an euren Abschluss denkt, erinnert euch an die Möglichkeiten und Verpflichtungen die für uns alle aus dem Grundgesetz erwachsen.

Nehmt die Grundrechte in Anspruch und lasst sie auch für andere gelten.

Das Grundgesetz ermöglicht uns das unschätzbare Glück der Freiheit!

Und was sollte uns die Freiheit, wenn wir sie nicht benutzten?

Nicht nur diese Frage oder soll ich besser sagen Aufforderung stellt uns Goethe

Und weist uns darauf hin, dass

 

Die Freiheit nicht darin besteht, was man alles tun mag

und wozu uns günstige Umstände einladen,

sondern das man das,

ohne Hindernis und Rückhalt, auf dem geraden Weg tun kann,

was man für RECHT und schicklich hält.

Und so fordere ich euch auf:

Seid charaktervolle Menschen!

Entfaltet euch! Ihr habt ein Recht darauf-

-aber nur solange ihr die Rechte der anderen nicht verletzt.

Mädchen- lasst euch nicht unterbuttern!

ihr habt die gleichen Rechte wie die Jungen! Nehmt sie euch!

Setzt euch alle dafür ein, dass niemand wegen seiner Abstammung,

seiner Sprache, seiner anderen Heimat, seiner religiösen oder seiner politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt wird!

Sagt eure Meinung! Ihr habt ein Recht darauf.

Nur Menschen mit Charakter haben eine eigene Meinung!

Verletzt dabei aber nie die Würde des Anderen!

© b.betz

 

 


 

 

Abschlußrede 96/97 Kl 10 d berhold betz

Nun sitzt ihr hier in eurem feinen Zwirn oder besser gesagt in dem von euch gewählten coolen Outfit.

Wenn ihr die Zeit zurückdreht und an den ersten Schultag an unserer Schule denkt,

dann müßt ihr sicher über die Bilder von damals grinsen, wenn nicht sogar lachen.

Zwischen dem ach so Kleinen von damals und dem schon so Erwachsenen oder einfacher so Gewachsenen von heute, liegt doch eine erlebnisreiche, nicht wegzudenkende Zeit.

Endlich könnt ihr glücklich sagen: Hier haben wir keinen Tag mehr.!!!

Den Streß, den wir Lehrer euch bereitet haben, den Streß den Ihr euch selbst bereitet habt und den, den ihr euch untereinander geleistet habt: VORBEI!!!

Die einen haben durchschnittliche- die anderen überdurchschnittliche Noten.

Andere wiederum sind auf der Strecke geblieben.

Die Zahlen der verteilten Qualifikationen sprechen ja anscheinend für sich.

Aber egal welche Noten ihr bekommt, denkt daran, daß Noten nichts darüber aussagen, ob ihr in den Wechselfällen des Lebens zurechtkommt.

Das tolle Zeugnis ist schon mit einem tollen Gefühl verbunden.

Das ist auch richtig so!

Ein tolles Zeugnis ist aber keine Garantie für Wohlstand , für Ansehen oder

für Glück im Leben.

Euer Gefühlsleben ist ein Bereich, der genau wie Rechnen und Lesen gekonnt gehandhabt werden muß. Lust und Unlust müssen in den Griff genommen werden.

Es gibt da eine kleine , aber grundlegende Fähigkeit, die für eure zukünftige Entwicklung entscheident ist:

Der Impuls zu widerstehen.

Ich weiß, das gerade die Fähigkeit zu widerstehen,in unserer Konsumgesellschaft absolut schwierig ist.

Auch Erwachsene haben ihre Probleme damit. Da ist auch bei denen kein Gebiet ausgepart.

Von den Lehrern habt ihr oft gehört, daß ihr euren Bock in den Griff kriegen sollt, wenn mal 0 -Bockstimmung angesagt war ,, - was bei einigen ja sehr häufig vorgekommen sein soll " .

Emotionale Selbstbeherrschung heißt das bei den Erwachsenen.

Das meint aber auch, daß man sich nicht zu jeder Zeit bei jeder Gelegenheit und bei jedem ,entschuldigt den Begriff , "auskotzen" - kann.

Das mit dem Widerstehen ist sehr vielfältig.

Aber eines ist es nicht: Es ist nicht IN.

Gerade bei euch, die ihr das Leben in vollen Zügen genießen wollt ,und dabei alles andere als unwichtig abtut, - mit der Begründung: LIFE IS SHORT!

Menschen, die es gelernt haben, den Versuchungen zu widerstehen, die gelernt haben, an der richtigen Stelle NEIN zu sagen, zeigen größere soziale Kompetenz.

Sie sind durchsetzungsfähig, selbstbewußt und besser in der Lage mit Frustrationen

des Lebens fertig zu werden.

Dieses NEIN will ich verstanden wissen als etwas, das von Herzen kommt, was Ihr wirklich wollt, was also bei euch beginnt, über das ihr noch bestimmt und wofür ihr bereit seid, die Konsequenzen zu tragen. Nich das "leidenschaftliche" NEIN, das so einfach über euch kommt und euch bestimmt ja beherrscht.

Menschen, die so NEIN sagen, und gleichsam wie lebendige Fische gegen den Strom schwimmen, sind nicht immer einfach - auch für uns als Lehrer nicht.

Aber diese haben die Chance der Veränderung.

Die Schule sollte so ein vielfältiges Trainingsfeld sein.

Sie sollte auch das Trainingsfeld dafür sein, daß ihr euer Gefühlsleben kultivieren lernt.

Ich bin mir durchaus bewußt, daß oft die menschlichen Werte wie: Glauben an eine Sache oder an eine Person - also der Glaube an euch, die Hoffnung und die Hingabe auch bei uns dem reinen Lernbereich oft entgehen.

Aber die Zeit für die vielen Gespräche nach der Stunde , die Gespräche über eure

Probleme - auch in der Stunde, die Telefonate, die Hausbesuche und nicht zuletzt

die Klassenfahrten werden in diesem Teil des Tainingsfeldes einiges beigetragen haben. So hoffen wir wenigstens.

Als ich über euer Leben an der Schule und das was vor euch liegt nachdachte,

viel mir der alte Straßenkehrer Beppo ein, der seiner kleinen Freundin Momo sein Geheimnis verrät:

Es ist so: Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man. Und dann fängt man an, sich zu eilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedesmal, wenn man aufblickt sieht man, daß es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst, und zum Schluß ist man aus der Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem.

So darf man es nicht machen. Man darf nie auf die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du?

 

Man muß nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächste. Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.

Auf einmal merkt man, daß man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht aus der Puste. Das ist wichtig!

Es gibt viele Wege die vor euch liegen und viele seid ihr schon gegangen.

Angst und Unsicherheit haben euch begleitet - und werden euch weiter begleiten.

Welcher Weg ist richtig? Wofür soll ich mich entscheiden? Ist das, wofür ich mich entschieden habe, richtig?

Losgehen! Losgehen heißt vieles hinter sich lassen, Freunde und alte Weggefährten verlieren,heißt loslassen von Elternhaus.

Losgehen ist aber verbunden mit neuen Chancen, mit möglicherweise neu anfangen können, nicht mehr in das Bild der Klassenkameraden passen müssen.

Ich komme von der Stelle auf der ich mich bewege.

Für manchen ist losgehen wie eine Befreiung.

Wie hieß es in der Geschichte? Gehen. Nur an den nächsten Atemzug denken.

Dabei muß ich mir etwas zutrauen, sonst lasse ich mich zu leicht von anderen beeinfussen. Die Beeinflussung ist, wie die Versuchung, der ihr widerstehen solltet,

überall und ihr landet vielleicht da, wo ihr nicht wollt.

Für euren Weg, der vor euch liegt, ist mir ein Irischer Segenswunsch eingefallen,

der euch begleiten soll:

Möge der Wind dir immer im Rücken wehen,

möge die Sonne warm auf dein Gesicht scheinen

und der Regen sanft auf deine Felder fallen.

Und - bis wir uns wiedersehen -

möge dich Gott schützend in seiner Hand halten.

©b.betz

 

 


 Abschlußrede für Schuljahr 92/93 (lof .........

 

 

 

Alle guten Dinge sind drei

so kennen wir es aus dem Sprichwort.

Bei mir ist es der dritte Jahrgang, den ich 4 Schuljahre hindurch bis zum Abschluß geleitet habe und meiner war zumindest ein besonderer Jahrgang.

Wenn es zum Abschied kommt, bleibt oft nur das Gute stehe und manchem von euch, der uns als Kollegen auf den Geist gegangen ist, möchten wir besonders dann nochmal wiedersehen, wenn er uns berichten kann, wie er sich positiv verändert hat.

Um Veränderung ging es uns in unserer pädagogischen Arbeit.

Um Veränderung eures Kenntnisstandes aber auch in vielen Fällen um Veränderung eures Standpunktes.

Wir hatten ein großes Feld des Lernprozesses zu bewältigen - auch hier im Zusammenwachsen der beiden Schulen. Wie in unserer Gesellschaft mußten auch hier Vorurteile und Ängste im Miteinander abgebaut werden.

Das Miteinander aber erst ist das, was Veränderungen von Standpunkten bewirkt. es zeigt, ob das, was andere von sich behaupten ehrlich ist.

Auch wenn es nur zu einer Stufenfete lo und einem gemeinsamen Drogenprojekt langte, so hat diese euch doch einiges, wenn auch nicht alles gebracht.

Ihr verlaßt heute dieses Einflußgebiet Schule mit den von euch mehr oder minder geschätzten Mitschülern und Lehrern.

Wir Lehrer haben versucht die Rolle des Säemanns zu übernehmen, der nicht nur die Saat ausstreut, sondern auch für den Dünger sorgt: .- auch wenn dieser Dünger für euch als Mist - im wahresten Sinne des Wortes -empfunden wurde, so wurde er doch im besten Wissen und nach bestem Gewissen - so hoffe ich sagen zu dürfen der Saat beigefügt.

Wie mit jeder Saat, die ausgestellt wird, so geht es auch mit der Saat, die in der

Schule gesät wird:

Einiges fällt auf den Weg - und die Vögel fressen es:

Viele von euch waren mit dem Kopf nicht immer da, wo sie mit ihrem Hintern gerade gesessen haben. Sie waren gedanklich auf dem Weg und es ist wenig bis nichts von vielen Stunden übrig geblieben.

Manches fiel auf felsigen Boden - der sich nicht öffnete, um den Wurzeln Möglichkeit zum Halt zu geben.

Allzuoft lebtet ihr nach dem Motto:was bringt mir das? - Davon hab ich doch nichts!Vergessen Sie es!- oder: Da hab ich keinen Bock drauf! - und ihr habt abgeschaltet.

Andererseits kennt der Säemann auch die Dornen,unter die der Samen  fällt:

Gruppenstruktüren, in die man eingebunden ist oder Gruppe ' n zu denen man sich zugehörig fühlen möchte, erzeugen oftmals ein Klima unter dem nichts wachsen kann.

Wobei wir Lehrer am liebsten auf reines und gutes Land säen möchten. wo das, was wir aussäen auch reale Chancen hat, Früchte zu zeigen.

Und selbst auf gutem Land, wo Schüler aufnahmebereit sind, wachsen noch genügend Disteln und anderes Unkraut.

In dem Wissen, daß wenn man das Unkraut zu früh rupft, die Gefahr besteht, das Gute gleich mit auszureißen, hat mancher von uns Kollegen das Unkraut mit wachsen lassen in der Gewissheit, daß das Leben sowieso den Spreu vom Weizen trennt. Und so gab es manch buntes Feld.

Andere mögen das Unkraut stark gerupft haben. Ganz ohne Unkaut gibt es kein Feld.

Eines ist uns kollegen aber gemeinsam:

Wir wissen, daß es nicht nur um Vermittlung von Wissen geht, sondern um weit mehr: um Schaffung von Freiräumen in einer Entwicklung auf Werte hin.

Gerade heute- wo oberflächlich logische Parolen von RECHTS euch entgegegwehen bleibt uns die Hoffnung, daß ihr nicht gleichgültig daneben steht oder der scheinbaren Logik und ihrer verheerenden Wirkung folgt.

Es hört sich vielleicht komisch an, wenn ich sage, daß ihr Deutschlands Zukunft seid. Aber so ist es!

Die Gleichgültigkeit, die Gedankenlosigkeit, das Unpolitische, das Wertlose, das Mutige; das ldeenreiche, das Ziellose oder Perspektivenreiche, das ihr in euch tragt oder auslebt, bestimmt schon heute Deutschlands Alltag!

Was uns bleibt, ist die Hoffnung, daß zumindest einige von euch gelernt haben, auch dann für eine Sache einzustehen, wenn es keine persönlichen Vorteile zu verbuchen gibt - ja sogar Nachteile in Kauf zu nehmen sind.

Und wir hoffen, daß ihr an dieser Schule erfahren habt, dass wir hier allezusammen vornehmlich Menschn sind und nicht Angehörige verschiedener Rassen, von denen die einen das Recht haben hier zu sein und die anderen höchstens geduldet sind.

Vor dem der uns geschaffen hat, sind wir alle gleich und es gibt keinen Unterschied - weder in Farbe, noch im Ansehen der Personen - egal ob es hoch oder niedrig ist-.

Besinnt.ihr euch immer wieder darauf und beeinflußt dieser Gedanke euer Tun, könnt ihr in eurer Umgebung und in der Welt zum Frieden beitragen, worauf wir alle hier sehr stolz wären.

 

Wenn ich euch jetzt im Namen aller Kollegen Lebewohl sage, dann ist dies eigentlich auch mit der Bitte um das Wiedersehen verbunden; denn auch für einen Säemann ist es schön, wenn er irgendwann einmal nicht nur seinen "Früchtchen" - sondern seinen Früchten begegnet.

 

Herzlichen Dank

© b.betz

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